Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Rheinland-Pfalz

Verwaltungsgericht Koblenz verhandelt über Reichweite des Presserechts in Zeiten eines Krieges

 
Das Verwaltungsgericht Koblenz verhandelt am Donnerstag, 9. März 2023 (12:00 Uhr, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, Sitzungssaal A021), über die Reichweite einer Presseanfrage zur Ausbildung ukrainischer Soldaten in der Artillerieschule der Bundeswehr im Idar-Oberstein
                 
Im Mai des vergangenen Jahres berichteten drei Monate nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine bundesweit Medien über ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Frage der Kriegsbeteiligung Deutschlands am Ukrainekrieg. Die ZEIT titelte hierzu: „Gutachten sieht Ausbildung ukrainischer Soldaten als Kriegsbeteiligung - Soldaten aus der Ukraine werden auch auf deutschen US-Stützpunkten geschult. Experten sagen, dies könne man als Kriegseintritt werten.“ Hintergrund davon ist eine in dem Gutachten zitierte Stellungnahme des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Pierre Thielbörger (Universität Bochum) zur Frage, ab wann Deutschland kriegsbeteiligt wäre: „Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“, wird Thielbörger in dem Gutachten aus einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung zitiert. Damit wurde ein grundlegender Diskurs zur Frage des Beginns einer Kriegsbeteiligung eröffnet, der bis heute nicht abschließend beantwortet worden ist.
 
Wenige Tage später berichtete der SWR folgendes: „In Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld) sollen ukrainische Soldaten an Panzerhaubitzen geschult werden. Das Training soll voraussichtlich noch diese Woche beginnen.“ Der Friedensaktivist Hermann Theisen (Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und freier Journalist) richtete daraufhin eine Presseanfrage an Oberst Dietmar Felber (General der Artillerietruppe in Idar-Oberstein) mit folgenden Fragen:

1. Wie viele ukrainische Soldaten werden in der Artillerieschule Idar-Oberstein aktuell ausgebildet?
2. Wie viele ukrainische Soldaten sollen perspektivisch dort ausgebildet werden?
3. An welchen Waffen werden ukrainische Soldaten aktuell ausgebildet und an welchen Waffen sollen ukrainische Soldaten perspektivisch ausgebildet werden?
4. Welche (nationale und internationale) Akteure aus Politik und Militär waren und sind bei der Planung und Durchführung dieser Ausbildungsmaßnahmen beteiligt?
5. Teilen Sie die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass diese Ausbildungsmaßnahmen aus völkerrechtlicher Perspektive als Kriegsbeteiligung bewertet werden könnten?
6. Was tun Sie dafür, dass diese Gefahr ausgeschlossen bzw. minimiert wird?
7. Inwieweit haben Sie bei der Planung dieser Ausbildungsmaßnahmen die Bestimmungen des Friedensgebotes des Grundgesetzes und der UN-Charta hinsichtlich einer Beteiligung an bewaffneten Konflikten berücksichtigt?
 
Nachdem die Presseanfrage mehr als einen Monat unbeantwortet geblieben ist und auf eine Nachfrage auch nicht reagiert wurde, erhob Theisen nach drei Monaten vor dem Verwaltungsgericht Koblenz eine Untätigkeitsklage gegen die Artillerieschule und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Daraufhin teilte das Kommando Heer (Strausberg) mit, dass der Antrag abzulehnen sei, da „wesentliche Informationen zu den vom Antragsteller aufgeworfenen Fragestellungen seitens der Bundesregierung bereits veröffentlicht“ worden seien. Anfang Oktober gab das Verwaltungsgericht Koblenz dem Antrag indes statt und verpflichtete das Kommando Heer zur Beantwortung eines Teils der Fragen, während für die anderen Fragen ein Anspruch verneint worden ist: „Der Antragsteller hat nur hinsichtlich eines Teils der begehrten Informationen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht“, so das Verwaltungsgericht Koblenz in seinem Beschluss vom 7. Oktober 2022 (4 L 802/22.KO).
 
Das Verwaltungsgericht Koblenz wird nun im Hauptsacheverfahren über die Frage eines weitergehenden presserechtlichen Auskunftsanspruchs verhandeln, der von Theisen noch immer gefordert wird: „Das Verwaltungsgericht Koblenz hat bei der juristischen Bewertung der Presseanfrage bisher einen Anspruch auf Beantwortung der Frage nach den Bestimmungen des Friedensgebotes sowie der UN-Charta und der daraus abzuleitenden Frage nach der Kriegsbeteiligung Deutschlands am Ukrainekrieg verneint, was insbesondere in Zeiten eines Krieges mit den Bestimmungen des Presserechts nicht in Einklang zu bringen ist“, so der Friedensaktivist.
 
Für Interviews oder bei Nachfragen nehmen Sie bitte telefonisch zu Hermann Theisen Kontakt auf:  Tel.: 0151-54727508

Letztes Update: 06.03.2023, 11:18 Uhr